Baerbock, Afrika, Nigeria: Das Drama um die Benin-Bronzen
Die Außenministerin und die Kunstschätze des nigerianischen Volkes?
Annalena Baerbocks diplomatisches Geschick hat in Bezug auf Afrika mehrfach Irritationen hervorgerufen.
Jenseits von Spott, Häme und diplomatischen Verstimmungen über das jüngste Fettnäpfchen der Außenministerin gibt die Zurechtweisung Baerbocks durch einen Adeligen aus Nigeria (zusammenfassend etwa hier) Anlass, sich ein bisschen mit der deutschen Kolonialgeschichte zu beschäftigen.
Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika?
Der nigerianische Prinz Okpame-Edward Oronsaye belehrt uns: Nigeria war nie eine deutsche Kolonie, die Kunstschätze haben die britischen Kolonialherren nach Europa gebracht, es gebe diesbezüglich keine deutsche Schuld.
Ich möchte an dieser Stelle keine allgemein gültigen Aussagen über Kolonialismus und die Rolle Deutschlands treffen. Aber auf meinen Reisen in Westafrika habe ich Menschen getroffen, die aus (zeit- und teilweise) deutsch beherrschten Regionen stammen, vor allem Togolesen. Togo war zunächst deutsche, dann französische Kolonie. Wenn Togolesen nun an meinem Akzent erkannten, dass ich die französische Sprache in Burkina Faso gelernt hatte, wurden sie immer gleich viel freundlicher: "Ach, du bist gar nicht Französin? Du bist Deutsche? Die Deutschen waren die besseren Herren, sie haben uns Straßen, Krankenhäuser und Bier gebracht." Das hörte ich unzählige Male. Viele Togolesen kannten sogar ein paar deutsche Worte.
Bild: in Agadez mit einer Frau aus Togo
Das Bild Deutschlands in Afrika ist anscheinend wesentlich besser als das Selbstbild.
Das "nigerianische Volk"
Dem nigerianischen Volk, so Baerbock, habe man seine Bronzen zurückgegeben. Ungeachtet aller Implikationen und Konsequenzen dieser Aktion kann man wieder etwas lernen: Es gebe kein nigerianisches Volk, so der Prinz, es gebe innerhalb der Grenzen Nigerias hunderte Völker.
Tatsächlich ist dies ein Phänomen, welches sich der an Nationalstaaten gewöhnte Europäer schwer vorstellen kann: Viele afrikanische Länder sind Vielvölkerstaaten mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Religionen. Ein Blick auf die Landkarte erklärt, warum das so ist: Die Landesgrenzen auf dem afrikanischen Kontinent sehen häufig aus wie mit dem Lineal gezogen, sie orientieren sich weder an geographischen Grenzen wie Flüssen oder Gebirgen, noch an ethnischer Zugehörigkeit und Homogenität der Einwohner. Das "Zusammenwürfeln" unterschiedlicher Völker mit den hierdurch bedingten innerstaatlichen Konflikten sowie die territoriale Trennung von zusammengehörenden Völkern, und auch die Unterbindung des nomadischen Lebensstils nicht nur der Tuareg, sind maßgeblich auf diese willkürlich anmutenden Grenzen zurückzuführen.
Bild: stundenlanges Schlangestehen der Markthändler am Grenzübergang Niger/Burkina Faso